Hilfstransporte

IceFlower - Initiative für medizinisch-technische Hilfe e.V.

Reisebericht Hilfsgütertransport Litauen 12.05. – 19.05.2007:

Dienstag, den 8. Mai 2007
Sonnabend, den 12. Mai 2007
Sonntag, den 13. Mai 2007
Sonntag, den 13. Mai 2007
Montag, den 14. Mai 2007
Dienstag, den 15. Mai 2007
Mittwoch, den 16. Mai 2007
Donnerstag, den 17. Mai 2007
Freitag, den 18. Mai 2007
Samstag, den 19. Mai 2007

Bei dieser Fahrt handelt es sich nicht um die übliche jährliche IceFlower-Tour. Wir schließen uns dieses Mal einem Transport des Vereins „Berliner Polizisten helfen e. V.“ an, der ein- bis zweimal im Jahr nach Litauen fährt, um deren soziale Einrichtungen zu versorgen. In diesem Verein ist der Präsident des THW Herr Brömme Ehrenmitglied und so ist auch der Kontakt entstanden.

Unser Lager in der Spaldingstraße steht u. a. voll mit Krankenbetten, Matratzen und Wolldecken. Diese hatten wir eigentlich für den moldavischen Gesundheitsminister gesammelt. Er hatte zugesagt, die Betten auf eigene Kosten mit einem Lkw abholen zu lassen. Auf einmal können sie sich aber angeblich den Transport nicht mehr leisten. So mussten wir nun nach einer kostengünstigen und zugleich sinnvollen Lösung suchen. Da kam die Fahrt der Berliner gerade richtig.
So werden wir uns dem am 12. Mai 2007 beginnenden Konvoi Richtung Litauen anschließen.

Auch in diesem Jahr sind wir dem THW dankbar, dass sie uns hierfür einen Sattelschlepper zur Verfügung stellen. Fahrer sind selbstverständlich unsere IceFlower-Mitglieder Klaus Griem und Erich Raabe.

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Dienstag, den 8. Mai 2007



Am Dienstagnachmittag haben wir den Sattelzug beladen. Fast 30 gute Betten, 40 Matratzen, 200 Wolldecken, 20 Decubitus-Matratzen, ein paar Kinderrollstühle und diverse Kleinigkeiten gehen mit auf den Wagen.

Die Hightech-Geräte, wie Röntgenanlage, Mammographiegerät, Autoklav, Ultraschall, usw. bleiben in der Spaldingstraße. Wir wollen uns zunächst einmal die Bedürftigkeit der Krankenhäuser ansehen. Sven und Torsten vom THW haben so gut gestaut, dass wir noch ein Viertel der Ladefläche frei hatten, obwohl wir viel mehr mitgenommen haben, als wir ursprünglich wollten. Das konnten wir den Berlinern mitteilen, die hoch erfreut waren, denn es war noch viel Ladung in Berlin.

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Sonnabend, den 12. Mai 2007

Am Freitag um 10:00 Uhr sind wir in Hamburg abgefahren und waren gegen 14:30 Uhr in Berlin, wo wir den Auflieger bis zur Ladekante vollgepackt haben. Gegen 23:00 Uhr sind wir mit dem ganzen Konvoi losgefahren, es war schon eine imposante Schlange an Fahrzeugen. Der Polizeifunkwagen vorweg und 6 Lkws mit Anhänger bzw. Auflieger hinterher - mit Blaulicht durch Berlin als geschlossene Kolonne. Das hat schon was! Die erste Rast war an der Grenze auf der polnischen Seite, dort haben wir die Fahrzeuge vollgetankt, erfreulicherweise ist Diesel ca.10 % günstiger als bei uns. Um 2:00 Uhr morgens ging es weiter. Kleine Dörfer und Städte, viele Felder, Wiesen und Wald.

Vorweg immer der Funkwagen der polnischen Polizei, dann unsere Kolonne. Alles mit Blaulicht und wir können ohne Verzögerung fahren. Erstaunlich gut ist hier im Nordwesten von Polen der Straßenzustand, nur das mit den Bahnübergängen müssen sie noch einmal lernen, die sind immer noch chaotisch. Wenn man nicht absolutes Schritttempo fährt, knallt der Wagen bis auf die Federanschläge durch. Die Polizei genießt in Polen großen Respekt, denn selbst der Gegenverkehr bleibt in der Regel stehen, wenn wir kommen und macht die Straße frei. Für die ausgesonderten alten Polizeifahrzeuge gibt es gute Verwendung, die stehen am Ortsanfang zur Abschreckung.

Wir übernachten in Olsztyn (Allenstein). Die Fahrzeuge stehen gut und sicher auf dem Gelände der Polizeikaserne. Die Polizei und unser Kombi bringen uns zum Hotel.

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Sonntag, den 13. Mai 2007

Am nächsten Morgen geht es weiter zur polnisch-litauischen Grenze. Der Straßezustand wird schlechter. Gegen 13:30 Uhr treffen wir an der Grenze ein. Nach einem kleinen Aufenthalt geht es weiter - dieses Mal mit litauischer Polizei nach Jurbarkas. Unterwegs viele bestellte Felder, wenige kleine Gehöfte, dann die Memelbrücke von Jurbarkas und wir sind am Ziel.

Wir fahren auf einen Speditionshof, von dort mit der Polizei vorweg zu unserem Hotel in Smalininkai (früher, als das Memelgebiet noch zu Deutschland gehörte, Schmalingen). Von unserem Hotelzimmer aus können wir auf die Memel schauen, auf der anderen Flussseite fängt die Russische Enklave Kalininburg (Ostpreußen) an. Hier treffen wir Marlu wieder, die mit dem Flugzeug angekommen ist.

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Sonntag, 13. Mai 2007

Mit einer kleinen Propellermaschine der Gesellschaft Flylal (Fly Litauen Air Line) bin ich nach genau 90 Minuten (übrigens für nur 90,- Euro) nördlich von Klaipeda in Palanga gelandet. An Bord sind vielleicht 12 Fluggäste. Entsprechend schnell geht die Gepäckabwicklung von statten und da steht schon Lilia, eine Sozialarbeiterin aus Jurbakas, einer kleinen Stadt an der Memel, unserem Zielort. Lilia ist die Leiterin der (Alten)Pflegeabteilung des Krankenhauses von Jurbarkas. Sie spricht recht gut Deutsch und begleitet mich zu einem VW Passat, der dem Chefarzt des Krankenhauses gehört. Somit erlebe ich gleich Litauen über 190 km einmal quer durchs Land. Es fällt auf, dass die Straßen gut ausgebaut sind; eine perfekte Autobahn, relativ wenig Autos. Alle Autos sind praktisch deutsche Markenmodelle.

Von Lilia erfahre ich schon ein bisschen über dieses sehr aufstrebende EU-Land. Das Mittagessen findet in Jurbarkas statt. Ich erhalte meine erste Landesspezialität: kalte Rote-Beete-Suppe mit Gurkenscheiben und saurer Sahne. Sehr gut!

Gegen 16:00 Uhr bin ich in unserem Quartier. Bei der Anfahrt durch den insgesamt recht armen, baufälligen Ort hätte man sich eine solch gemütliche Unterkunft nicht vorstellen können: Der Landgasthof liegt mit seinem wunderbaren Garten direkt an der Memel. Wir sind im hinteren Gästehaus untergebracht. Die Zimmer sind sauber. Es gibt neue Duschbäder. Inklusive eines üppigen Frühstücks kostet alles zusammen pro Person und Übernachtung ca. 20,00 Euro!

Um 18:00 Uhr sind endlich alle da: Insgesamt ca. 20 Personen mit 7 Fahrzeugen.

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Montag, 14. Mai 2007

Heute wird an den diversen Standorten entladen: Sonderschule und Kindergarten Smalininkai, ASB und Krankenhaus von Jurbarkas.

Zum Krankenhaus gehört auch das von Lilia geleitete Altenpflegeheim. In Litauen zahlt der Staat den Aufenthalt für die Pflegefälle jeweils für 4 Monate, sozusagen zum „Aufpäppeln“.

In dem alten Gebäude sind die Zimmer und sanitären Anlagen noch sehr renovierungsbedürftig: Aufgerissene Fußböden, abgebröckelte Wandfarbe, keine Gardinen. Hier tun auch die von uns mitgebrachten Betten und Wolldecken gute Dienste!

Im Hauptgebäude des Krankenhauses sieht es schon etwas anders aus: Der OP ist frisch renoviert. Im ersten Moment ist man erschlagen und denkt, was sollen wir hier. Doch dann erklärt mir die sehr gut Englisch sprechende Anästhesistin, dass der Narkoseapparat von Dräger „Sulla 800“ so alt ist, dass sie dafür keinen Vaporersatz mehr bekommen. Propofol benutzen sie hier noch nicht. Es ist ihnen zwar bekannt, sie haben es aber noch nicht gekauft. Remifentanyl gibt es schon gar nicht. Es fehlt an Monitoren.

Es gibt 3 OP-Säale, wunderbar renoviert, aber 2 können nur bestückt werden, da es keine Anästhesiemöglichkeiten gibt. Für den gesamten OP ist ein EKG vorrätig. Der Monitor auf dem Sulla funktioniert nicht mehr.

Die Anästhesistin muss im Notfall einen Defibrillator, einen uralten, von der Intensivstation holen. PCA-Pumpen gibt es ebenfalls nicht. Also hier ist noch Bedarf. Da täuscht der erste Eindruck.

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„Ich bin hier von dem Krieg geflüchtet, in Sachsen. Ja, und nachdem wenn der Krieg … und dann war … nach Osten. Im Jahre 41 nach Osten. Ja … Kampf, Panzertank, … und dann war verwundet und nicht in Berlin im Krankenhaus“.

Das war jetzt ein Zwischenspiel. Ein Patient um die 70 ist auf uns zugekommen und hat in seinem ostpreußischen Dialekt als ehemaliger Wolfsjunge aus der Kriegs- und Jugendzeit in Ostpreußen berichtet. Ich habe versucht, einfach einiges davon festzuhalten.

Das Entladen unseres Sattelzuges am Krankenhaus ist mit Hilfe der THW-Mannschaft und einiger Helfer vom Krankenhaus problemlos verlaufen. Die Betten und Decubitus-Matratzen gehen überwiegend ins Pflegeheim, die meisten anderen Sachen ins Krankenhaus.


SterilisatorsBeim Rundgang durch das Ambulatorium, den OP und die Intensivstation ist mir klar geworden, dass wir von IceFlower mit unserer medizinisch-technischen Hilfe hier nicht sehr viel ausrichten können. In fast jedem Untersuchungszimmer steht ein gutes Diagnostikgerät. Die Röntgenabteilung hat zwei Anlagen, die deutlich besser sind als die, die bei uns in der Spaldingstraße stehen. Die Intensivstation ist gut ausgestattet. Im OP fehlt zwar der ein oder andere Monitor, aber das rechtfertigt nicht eine ganze Ladung hierher. Mein Eindruck ist, dass sie – seit sie in der EU sind – von vielen Firmen wie Philips und Siemens Leasinggeräte bekommen. Erschütternd ist, dass das Ganze in einem Gebäude steht, das eine Bauruine ist. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass es sinnvoller wäre, eine Ladung Farbe und Linoleum oder Fensterscheiben hierher zu bringen anstelle von technischen Geräten. Für uns wichtig war dennoch die Entdeckung des Sterilisators im Keller.

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Der ist genauso alt wie das Gebäude. Er stammt aus Russland. Auch für mich als Laie ist er deutlich erkennbar reparatur-, wenn nicht gar regenerierbedürftig. Der Techniker macht einen sehr differenzierten, professionellen Eindruck. Erich und Klaus haben ein Foto des OP-Sterilisators aus Cuxhaven dabei, der inzwischen beim THW Hamburg-Nord gelagert ist. Nach Rücksprache mit dem Techniker ist klar: Unserer OP-Sterilisator (Neuwert ca. 100.000,- EUR) kommt hierher. Das macht richtig Sinn! Jetzt wissen wir wenigstens, dass er hier mit Sicherheit fachmännisch angeschlossen werden kann.
Freude macht dann auch weiter am Nachmittag in Smalininkai die Verteilung der Kinderrollstühle in der Schule für geistig und körperlich Behinderte.

Das Spielzeug und die Kinderkleidung gehen in den Kindergarten, ebenso wie die 30 Wichtelpäckchen, die hier unter lautem Jubel geöffnet werden!

In dem Ambulatorium des Ortes, eigentlich auch besser ausgestattet als alle anderen, die wir bisher in Osteuropa gesehen haben, machen wir dennoch sehr viel Freude mit einem Beistelltisch, einer Zentrifuge und den Blutzuckermessgeräten.

Noch einmal das Resümee dieses Tages: Wir haben unsere Ladung heil hierher gebracht. Das Ganze ist problemlos entladen worden. Ich konnte mir vor Ort einen Überblick verschaffen und feststellen, dass wir zumindest nach Jurbakas keine weiteren größeren medizinischen Geräte - bis auf den Sterilisator - bringen sollten. Ich bin auch froh, dass wir unsere medizinische Technik, wie Röntgenanlagen, Autoklav usw. zunächst in Hamburg belassen haben, um einen bedürftigeren Empfänger zu suchen. Der Tag endet mit einer Einladung zum Abendessen von den dankbaren Mitgliedern des ASB.

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Dienstag, 15. Mai 2007

Der Chefarzt vom Krankenhaus Jurbarkas hat uns netterweise sein Auto – dieses Mal ein Scharan - mit Fahrer und Lilia als Dolmetscherin zur Verfügung gestellt. Bereits um 7:00 Uhr morgens werden wir - Klaus, Erich, Sven, Uwe vom THW Berlin-Marzahn und meine Wenigkeit - abgeholt, denn es dauert doch insgesamt vier Stunden, um zu unserem Wunschziel Nida an der Kurischen Nehrung zu kommen.

Zunächst zwei Stunden bis Klaipeda, dann setzt man mit einer Fähre über auf die Landzunge und fährt erst einmal ungefähr 20 km durch dicht bestandenen Kiefernwald, um in dem wunderbaren, ehemaligen Künstlertreffzentrum und Fischerdörfchen Nida anzukommen. Es ist hier wunderschön. Lauter buntbemalte Holzhäuschen; das hat so einen skandinavischen Touch.

Auf dem Hügel mit Blick über das Haff steht das Haus von Thomas Mann, wo er in den 30er Jahren mehrere Sommer verbracht hat und u. a. den Roman „Josef und seine Brüder“ geschrieben hat. Das Haus, die Lage und der Blick sind so wunderbar, dass man selber dort gerne geschrieben hätte.

Wir spazieren ein wenig unten am Haff entlang und erhalten ein hervorragendes Mittagessen in einem kleinen Fischrestaurant im Ort. Von dort aus geht es weiter an die Ostseeseite. Die ganze Landzunge ist hier ungefähr 1 km breit. Man hört das Meer schon auf der ruhigeren Haffseite, denn die Ostsee hat hier eher Nordseecharakter mit hohen Wellen, Schaumkronen und breitem Strand.

Auf der Fahrt zurück versuchen wir vergeblich, in die von Klaipeda bekannte Altstadt, die sehr schön sein soll, zu gelangen, aber aufgrund vieler Baustellen und Einbahnstraßen resigniert letztendlich unser Fahrer, zumal es bereits später Nachmittag geworden ist. Nach einer kurzen Pause geht es dann wieder Richtung Smalininkai, wo schon die Polizei von Jurbarkas ihre Dankbarkeit mit der üblichen Einladung zu Essen und Getränken (Bier und reichlich Wodka) zum Ausdruck bringt. Angenehm erschöpft von dem herrlichen Tag an der Ostsee nehmen wir dieses nur am Rande mit, um rechtzeitig die herrliche Abendsonne in unserem wunderschönen Garten unseres Quartiers genießen zu können. Ich bin froh, dass wir „Eisblumen“ uns in diesem Punkt alle einig sind.

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Mittwoch, 16. Mai 2007

In Raseiniai, einem kleinen Kreisstädtchen in der Nähe der Autobahn nach Kaunas, schauen wir uns ein weiteres Krankenhaus an. Es sieht äußerlich schon mal total modern aus: Lamellengardinen, Stores und der Eingang ist feudal. Die Pförtnerin sitzt an einem Flachbildschirm-Computer. Herrlich der Kontrast: Das nächste Zimmer ist die Notaufnahme. Da hätten einige unser mitgebrachten Liegen das ganze Zimmer sicherlich deutlich aufgebessert. Obwohl wir keinen Dolmetscher dabei haben, können wir uns dank der IceFlower-Visitenkarten, die Walter noch in letzter Minute erstellt hat, zumindest soweit verständlich machen, dass man uns eine Dolmetscherin sucht. Die stellvertretende ärztliche Direktorin, eine Kinderärztin namens Ona Sutkuviene, spricht zwar gebrochen, aber soweit Deutsch, dass wir unser Anliegen verständlich machen können.

Zunächst führt sie uns auf eine nagelneue Kinderstation. Da sieht es mindestens genauso aus wie in den neueren Krankenhäusern Deutschlands. Nachdem wir abwinken und weiterfahren wollen, sagt sie: „Oh nein. Das Haus hat neun Stationen. Nur zwei sind neu von EU-Geldern. Auch ein Raum für das CT, das demnächst kommen soll, ist schon vorbereitet. Aber es gibt noch viel zu tun.“ Wir sehen dann die entsprechenden alten Stationen mit alten Krankenhausbetten. Aber auch hier fällt wieder wie in Jurbarkas auf, dass der Hauptbedarf in Fußböden und Wandanstrich besteht.

Die Intensivstation hat sehr alte Betten. Da hätten die von uns jetzt mitgebrachten Betten sicherlich auch ihre guten Dienste getan. Zu jedem alten Bett gehört aber ein gut funktionierender Monitor, ein Beatmungsgerät, verschiedene Spritzenpumpen. Also auch hier kein medizinisch-technischer Bedarf im Sinne von IceFlower.

In der Radiologie spreche ich mit der Röntgenärztin. Dort steht auch eine gute Anlage. Sie haben bisher keine Mammographie, haben aber ganz sicher großes Interesse daran. Hier wäre unser Mammographiegerät sicherlich sinnvoll untergebracht, da ein Röntgenfacharzt vor Ort ist, der Biss und Interesse hat. Auf der anderen Seite sieht dieses Haus so aus, als ob es im kompletten Aufbau und Umbau mit EU-Geldern ist und man sich fragen muss, ob sie nicht eh bald ein Mammographiegerät bekommen. Eine schnell organisierte Dolmetscherin - die Tochter der Sekretärin des Krankenhauses, eine Deutschlehrerin - hilft uns dann noch, diese beiden Seiten zu verdeutlichen.

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Es geht weiter nach Kaunas, der zweitgrößten Stadt von Litauen, als Privattour in der altbewährten Gruppe mit Klaus, Erich, Sven, Uwe und mir. Kaunas hat eine Altstadt, die sich an die Burg anschließt. Die Burg liegt oberhalb des Zusammenflusses zweier Flüsse und bietet einen wunderbaren Blick über das Land. Von hier aus geht es durch die Altstadt, durch enge Gässchen mit alten, schön restaurierten Häusern mit vielen kleinen Geschäftchen und Cafes. Nahtlos hieran schließt sich die Neustadt an, deren Hauptader eine lindenbesetzte Allee ist. Auf beiden Seiten die Mischung aus modernen Geschäften und altsozialistischem Plattenbau mit Kaufhaus. Freundliche, gut gekleidete Menschen. Nachmittags geht es zurück nach Smalininkai zur großen Feier in der Sonderschule.

Diese ist das Projekt („Kind“) unserer Freunde des Vereins „Berliner Polizisten helfen e. V.“, in das sie seit vielen Jahren sehr, sehr viel Idealismus, Materialien, Geld und Hilfe gesteckt haben. Das uralte Gebäude sollte abgerissen werden. Dorthin waren unter der russischen Regierung alle geistig, körperlich und sonst verhaltensauffälligen Kinder abgeschoben worden. Mit der tatkräftigen, finanziellen und materiellen Hilfe der Berliner wurde daraus eine großartige Sonderschule, in der bis zu 120 Kinder untergebracht werden können, die in mehreren Räumen unterrichtet werden. Die körperlich Behinderten zeigen uns, wie sie Häkelarbeiten vollbringen.

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Es wird einem ganz warm ums Herz, wenn man sieht, was hier geschaffen worden ist. Unsere Freunde können darauf richtig stolz sein. Entsprechend läuft auch die zweimal jährlich stattfindende Dankesfeier ab. Die Aufführung der Kinder mit einem Pantomimenspiel haben wir leider verpasst. Dafür geraten wir wieder an das große Gelage eines niedlich mit Blumen geschmückten Tisches. Die Papierblumen haben auch die Kinder selbst gebastelt. Nun folgt das übliche gegenseitige Dankeschön und Loben auf Litauisch und Deutsch. Jedes Mal Anstoßen mit Wodka. Der Trick besteht darin, an dem Gläschen nur zu nippen, um den weiteren Abend dann noch genießen zu können.

Es lohnt sich, denn um 19:00 Uhr findet im Gemeindehaus gegenüber eine Art Frühlingsfest statt, das vom Bürgermeister initiiert wurde, damit das ganze Dorf auch mal gemeinsam feiert. Auf einer kleinen Bühne finden diverse Auftritte statt, zum Teil in litauischer Nationaltracht. Es wird Musik gemacht und gesungen mit zwei Akkordeon-Spielern und einem kleinen Mädchen an der Zitter, das frei und ohne Scheu mehrere Strophen gleichzeitig singend und spielend vorträgt. Zwischendurch erzählt ein 14jähriger Junge ein Märchen mit einer geradezu professionellen Mimik. Eine Frau um die 50 Jahre berichtet immer wieder auf humorvolle Weise, im Alter heiraten zu wollen. Dies ist wohl der rote Faden der ganzen Veranstaltung.

Auch wenn wir nichts verstehen, können wir der Mimik viel entnehmen. Das Publikum ist begeistert und das Ganze endet in einer großen sog. Hochzeitsfeier für das Dorf. Wir alle von IceFlower und vom THW sind begeistert. Auch wenn wir nicht ein Wort verstanden haben, war es doch sehr interessant und amüsant für uns. Auf dem Heimweg durch das Dörfchen mit seinen armseligen, teils verfallenen Häusern wundern wir uns, wo bloß all diese großartigen Musikanten und Komödianten herkommen. Geradezu unglaublich!

Die inzwischen sehr angeheiterte Rest-Gesellschaft in der Sonderschule versichert uns immer wieder - sowohl auf litauischer, wie auch auf Berliner Seite - wie dankbar sie sind, dass wir sie in diesem Jahr begleitet haben und wie sehr sie auf eine weitere Zusammenarbeit hoffen. Da ich bisher in den Krankenhäusern für die eigentlichen Ziele von IceFlower keinen Bedarf gesehen habe, kommt mir an diesem Abend die Idee, es noch einmal mit den einzelnen Landarztpraxen zu versuchen. Denn man hat in diesen Tagen dieses Fleckchen Erde und seine Menschen so lieb gewonnen, dass man auch aus egoistischen Gründen hier gern wieder herfahren möchte. Die Armut der Bevölkerung ist ja auch nicht zu übersehen. Daher sind auch Aurelia, unsere Dolmetscherin, und Jutta, die sofort anpackt, begeistert von dieser Idee und organisieren gleich den Besuch von zwei, drei Landarztpraxen am nächsten Morgen.

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Donnerstag, den 17. Mai 2007

Um 8:30 Uhr holt Aurelia uns mit ihrer Mutter ab. Klaus und Erich begleiten mich und wir besuchen insgesamt drei Landarztpraxen. Eine ist kurz vor der Schließung, da das Haus abgerissen werden soll. In der zweiten können wir mit einer Ärztin sprechen, die täglich von Jurbarkas aufs Land gefahren kommt. Das Ambulatorium selbst ist frisch gestrichen. Vor den Fenstern hängen Ladenrollos. Alles sieht sauber und nett aus. Man könnte sicherlich hier auch ein bisschen Kosmetik betreiben, eine neue Liege hereinstellen, vielleicht auch ein EKG mitbringen, aber es steht doch in keinem Vergleich zu dem, was wir in den anderen Ländern bisher erlebt haben. Auch das nächste Ambulatorium unterliegt dem europäischen Aufbauprogramm. Um den ultramodernen, hellblau-weißen Zahnarztstuhl würde sie manch deutscher Zahnarzt beneiden. Bis auf die Physiotherapie, die auch in den Krankenhäusern immer noch das Stiefkind zu sein scheint, ist hier alles sauber, gut geregelt und teilweise sehr neu.

Wenn ich jetzt so meine Gedanken zusammenfasse, dann muss ich sagen, es war gut und auch sehr schön, Litauen und vor allem das Memelland kennen gelernt zu haben. Der Transport der Betten, etc. ohne die großen Hightech-Geräte hat auch Sinn gemacht. Es war vor allem eine tolle Erfahrung, den Verein „Berliner Polizisten helfen e. V.“ kennen gelernt und deren Arbeit miterlebt zu haben. Denn das, was jene erreicht haben, ist eigentlich mein Traum: Direkt den Menschen vor Ort und in den Häusern zu helfen.

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Bevor wir zum Abschiedsabend, gestaltet durch das Krankenhaus - ein Grillabend an der Memel – gehen, begleiten wir noch Corinna und Heinz Puttlitz zu den besonders sozial schwachen und von ihnen unterstützten Familien in und um Smalininkai. So kommen wir z.B. in ein altes verfallenes, verwahrlostes Bauernhaus; drei Menschen in einem Zimmer. Auf dem Doppelbett liegt eine durch eine Skoliose körperlich behinderte Frau, die seit drei Jahren nicht mehr in der Lage ist, selbst aufzustehen.


Daneben im Bett ein junger Mann, der nach einer Oberschenkelhalsfraktur noch nicht wieder belasten darf, und im Einzelbett in der Ecke ein geistig und körperlich schwerstbehinderter Epileptiker um die 40 Jahre.

Sie liegen auf Krankenhausbetten - von den Berlinern gespendet. Überhaupt ist die ganze Wohnung relativ gut eingerichtet mit Möbeln durch die Berliner. Gestern wurde festgestellt, dass der Gasherd kaputt ist. Daraufhin wurde von den gesammelten Geldern des Berliner Vereins für 210,- EUR ein neuer Gasherd gekauft, der heute Abend, noch auf PropanGas umgestellt, von Erich und Heinz erfolgreich angeschlossen werden kann.

Für die Frau blasen wir eine von den mitgebrachten Decubitus-Matratzen auf. Sie muss sich erst noch an das Liegegefühl gewöhnen.

Dem geistig Behinderten stehen die schlechten Zähne fast horizontal aus dem Mund, aber durch die Dolmetscherin erfahren wir, dass er jegliche Untersuchung ablehnt und auch ca. zehn Mal am Tag epileptische Anfälle habe. Wie ich feststellen konnte, bekommt er einmal am Tag 600 mg Carbamazepin - offenbar zu wenig. Aber es kommt kein Arzt regelmäßig zum Hausbesuch bei dieser Familie vorbei, sondern nur auf Anfrage in einem Notfall. Die ältere Frau trägt Pampers.

Eine Bettpfanne gibt es nicht. Alles macht auf uns einen trostlosen Eindruck, aber nicht verwahrlost. Familienangehörige, Freunde und eine Frau mit Kind, die über ihnen wohnt, kümmern sich fest um sie. Zwischen den beiden auf dem Doppelbett liegt ein völlig verzeckter Hund und der Fernseher läuft. Ich glaube, dass dieses Haus, welches die Berliner vor drei Jahren das erste Mal gesehen haben, in einem völlig verwahrlosten Zustand gewesen sein muss. Sie haben inzwischen hier auch Türen und Fenster ersetzt, so dass es zumindest einigermaßen menschenwürdig ist. Die ärztliche Unterversorgung ist aber mit Sicherheit ein Problem. Da nutzen die vielen von der EU finanzierten elektrischen Geräte auch nichts.

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Auf dem Rückweg halten wir noch kurz bei Natascha, ein mit den Berlinern aufgewachsenes Kind der Sonderschule, die im letzten Jahr mit 18 Jahren ein Kind bekommen hat und nun alleinerziehend bei ihrer alkoholkranken Mutter mit deren alkoholkrankem Lebensgefährten ihr Kind aufzieht. Diese Wohnverhältnisse sind eindeutig noch schlimmer als das, was wir zuvor gesehen haben. Drei völlig verdreckte, kaum eingerichtete Räume. Der sauberste ist noch der von Natascha und ihrem Kind Cornelia, einem süßen 11 Monate alten Mädchen, das uns anlächelt und sicherlich nichts von seiner Zukunft ahnen kann. In der Küche steht auf einem Kohleofen ein Wassertopf. Hinter einem dunklen Stofffetzen hört man einen Fernseher. Das ist so ziemlich das Schrecklichste, was ich hier bisher erlebt habe. Auf dem Hof steht nur altes Gerümpel und viele leere Flaschen Wodka und Bier. Man möchte am liebsten dieses Baby mitnehmen, um ihm eine furchtbare Zukunft zu ersparen. Uns fällt auf, dass dieses Kind, das wir auch schon am Vortag erlebt haben, noch nicht einmal geschrieen hat. Es sitzt völlig ruhig und emotionslos da, lässt sich von jedem anfassen und herumtragen, fast regungslos. Erich gelingt es, dem Kind ein Lächeln zu entlocken.

Als Kontrastprogramm dann wieder der Grillabend mit allen Leuten, die wir in diesen wenigen Tagen kennen gelernt haben: Lilia, dem Chefarzt, dem Vorsitzenden vom Arbeiter-Samariter-Bund, der Schulleitung, der Heimleiterin mit ihren beiden Söhnen Vincent und Ramonas, die beide sehr, sehr gut deutsch sprechen und sich für die Schule engagieren, Aurelia mit ihrer Mutter, die mir meine Stiefel kostenlos für ein ärztliches Konzil besohlt hat, etc. Gegrillt werden fettige, sehr schmackhafte Würstchen. Auf den Tischen stehen wieder die üblichen Wurstscheiben, Käse, Tomate und unser heiß geliebtes geröstetes Knoblauchbrot. Und natürlich Wodka!

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Freitag, den 18. Mai 2007

Frühstück 5:00 Uhr, um 6:00 Uhr fahren wir mit diversen vorhandenen Autos zum Lkw-Parkplatz, um dann im Konvoi mit sieben Lkws den Heimweg anzutreten.

Polizei ist schon vor Ort. Für mich neu und absolut faszinierend ist der reibungslose Ablauf durch das Polizeifahrzeug vor uns mit Blaulicht, ebenso alle Lkws, die auch über Blaulicht verfügen. So geht es problemlos bis zur Grenze. Dort Übergabe an die polnische Polizei, die schon auf uns wartet und dann als Führungsfahrzeug voran fährt. Als geschlossene Kolonne bei Rot über die Kreuzung fahren zu dürfen, hat was. Wir gewinnen mindestens 3 Stunden pro Tag durch die Tatsache, in keiner Ortschaft und an keiner Baustelle aufgehalten zu werden, geschweige denn, den Weg nicht suchen zu müssen!


Es wird ein langer Tagesritt. Abends um 21:00 Uhr sind wir in einem sozialistischen Plattenbauhotel in Pila in Polen. Alle irgendwie kaputt, müde und hungrig. Im Keller dieses Hotels gibt es ein Restaurant mit schlechtestem Service.

Der erste hat um 21:30 Uhr sein Schnitzel, der letzte um 23:30 Uhr. Wir erfahren beim Abendessen, dass wir Morgen um 7:00 Uhr frühstücken, um 8:00 Uhr weiterfahren und sind daher alle rechtzeitig und völlig erschöpft im Bett. Ich möchte jetzt zu der Gruppe noch ein Wort verlieren. Auf dieser Tour waren vom Verein „Berliner Polizisten helfen e. V.“

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18 – 20 Mitglieder dabei. Ein Teil ist bereits abgereist. Wir sind jetzt noch mit 18 Leuten unterwegs. Da ist einmal Heinz Putlitz – 1. Vorsitzender – mit seiner Frau Corinna, die beide sehr, sehr viel für die Einzelschicksale von Familien in Smalininkai tun und überhaupt das Ganze mehr oder weniger auf die Beine gestellt haben. Ich glaube, ebenso lange sind Peter Glaser – Leiter einer Polizeiabteilung in Berlin - mit seiner Freundin Jutta – ehemalige Pressesprecherin der Polizei- dabei. Artur und Birgit, Torsten und Siggi, Christa, die die Buchhaltung macht, Conny, die auch schon öfter mitgefahren ist sowie Harald und Aurelia. Sven und drei weitere THW-Fahrer vom THW Berlin-Marzahn: Uwe, Christian und Mario. Mario begleitet Sven auf dem sog. kleinen Feuerwehrfahrzeug, einem kleinen Materialtransportwagen mit einem dicken THW-Anhänger. Uwe und Christian ebenso wie Klaus und Erich auf je einem THW-Sattelschlepper. Ich springe praktisch von Wagen zu Wagen und lasse mich zum Teil über die verschiedenen Lkw-Typen belehren – meine ersten theoretischen Fahrstunden für den Lkw-Führerschein.

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Samstag, 19. Mai 2007

Es ist kurz vor 18:00 Uhr. Ich sitze in Svens Pkw, nach einer Kreuzfahrt durch halb Berlin bis zum Präsidium Lankwitz, wo wir die Fahrzeuge abgestellt haben. Der größte Teil hat sich vorher überraschend schon verabschiedet oder ist von der Autobahn verschwunden. Ich bin heute ein paar Stunden bei Harald mitgefahren, der lobend die Harmonie von unserer IceFlower-Truppe erwähnte, wo jeder jeden so akzeptiert, wie er ist, und versucht, seine positiven Seiten hervorzuheben. Das hat mich sehr gefreut. Ich glaube, das ist auch so.

Als Resümee der ganzen Woche möchte ich sagen, es war eine tolle, sehr eindrucksvolle, sehr lehrreiche und schöne Zeit. Die vielen Eindrücke müssen sicherlich auch erst einmal verarbeitet werden. Es hat sich gezeigt, dass Litauen als Zielland für die eigentliche IceFlower-Arbeit weniger geeignet ist, dass wir anerkennend die Tätigkeit der Berliner Polizisten vor Ort bewundern und gern auch weiterhin mit Einzelsachen unterstützen möchten, aber für IceFlower ein neues Projekt (oder den Kampf mit der Bürokratie in unserem „alten“ Moldova) suchen sollten, an dem wir in der üblichen, bisherigen Weise weiter arbeiten.
Für die Unterstützung - die ideelle und auch tatkräftige - dieser Tour danke ich vor allem Nina, Erich und Klaus, Sven und Walter, und nicht zuletzt auch Karin und Atti.

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